| 17. November 2012 | Die Weber | Deutsches Theater Berlin
Gerhard Hauptmann ‹Die Weber› am Deutschen Theater, Berlin
Mitte November spielte das Deutsche Theater in Berlin Gerhart Hauptmanns ‹Weber›, während das Theater Vorpommern sich in ihrer ‹Kein Risiko›-Spielzeit hinter Märchen, Operetten und Kriminalkomödien versteckt. Ob die Weberverzweiflung unseren Schiffbauern heute aufhelfen könnte? Ein Werftaufstand, kanns den überhaupt geben? Oder ist in den ‹Hütten› nicht Verfall, Elend und Dürftigkeit, nicht der Menschheit ganzer Jammer genug, wie es Hauptmann einst über der Weber Hütten schrieb?
| 3.Dezember 2012 | Zur Stralsunder Werft | Mein Kommentar

Die Werft stirbt und nun soll Gott helfen, denn wir kriegens allein nicht hin
‹Arbeit, Zukunft, Leben. Stralsund ohne Werft?› oder ‹Gott, schenke echte Solidarität, die sich nicht in leeren Worten erschöpft›
So lauten einige der vielen stummen Bitten auf kleinen Zetteln an der Gebetsmauer aus Pappe in St. Marien in Stralsund. Ansonsten schweigende Gesichter, ohne Wut. Still nimmt der Pommer hin, genauso wie man es ihm nachsagt. Da kann seine Werft kaputt gemacht werden, und er ist nicht aus seiner Ruhe zu bringen.
Mitte November spielte das Deutsche Theater in Berlin Gerhart Hauptmanns ‹Weber›, während das Theater Vorpommern sich in ihrer ‹Kein Risiko›-Spielzeit hinter Märchen, Operetten und Kriminalkomödien versteckt. Ob die Weberverzweiflung unseren Schiffbauern heute aufhelfen könnte? Ein Werftaufstand, kanns den überhaupt geben? Oder ist in den ‹Hütten› nicht Verfall, Elend und Dürftigkeit, nicht der Menschheit ganzer Jammer genug, wie es Hauptmann einst über der Weber Hütten schrieb?
Den Gesichtern der knapp 400 Arbeiter mit ihren Familien, die zum Friedensgebet in die Marienkirche kamen, war anzusehen, dass sie nicht oft diese ‹große Halle› betreten, manche vielleicht zum ersten Mal. Gemeinde, Schiffbauer und Gewerkschafter hatten nun schon zum dritten Montagsgebet eingeladen, seit die Geschicke der Werft in den Händen von Insolvenzverwaltern, Politikern, Investoren und Schnäppchenjägern liegen, seit die Werftler nicht mehr durch ihr KnowHow, ihre Erfahrung, durch Fleiß und Kraft die Geschicke mit beeinflussen können. Die meisten der gut 1500 Übriggebliebenen harren in der Auffanggesellschaft der Dinge, die da kommen oder versuchen das Schiff Stralsund beruflich, manche von ihnen gänzlich zu verlassen, aus dessen Nebelhörnern scheinbar nur noch ‹Tourist, Tourist› trötet. Da saßen sie nun still, fast schweigend, brummten ungeübt zur großen alten Orgel ein ‹Herr, gib uns deinen Frieden›.
In den Reihen der Kirchenbänke kein Murren, kein lautes Zustimmen. Es war zu spüren, der andächtige Raum flößte den weltlichen Rednern Respekt und Unbehagen ein und so hörte man Worte ohne Kraft und ohne viel Inhalt. Nur Pastor Christoph Lehnert kritisierte, dass von den Ministern und den Verantwortlichen nichts zu hören ist, keine Erklärung, keine Entschuldigung, kein Trost.
An der Zettelwand steht: ‹Herr Bürgermeister, ich habe Sie vermisst.› Er hat wohl alle Hände voll zu tun mit der Rückabwicklung der übriggebliebenen Bücher aus der Gymnasialbibliothek. Können die leblosen Buchrücken und ihre Seiten nicht auch morgen gerettet werden, wenn doch heute für arbeitende Menschen einzustehen ist? Stralsund ohne Werft? Ist das Werftgelände schon begehrt für Hotels und Wohnungen? Unverbaubares Wassergrundstück mit Metallschrott auf dem in Zukunft neue Geschäftsleute Hafencharme an Touristen vermarkten und Altersruhesitze verkaufen. Sind die Werftarbeiter Kraft ihrer täglichen Arbeit selbst Schuld daran, dass zuletzt auch die kleinen und großen Pötte auf See dem Ruf nach Fernost folgen, wie längst schon die allermeisten Produkte, die billig von dort zu uns kommen. 22 Jahre gab es jährliche kleine und große Krisen, wurde entlassen und auf Zeit wieder eingestellt, auf Lohn verzichtet, Überstunden gemacht, demonstrierten Männer am Werfttor, wurde Hoffnung geschwafelt, gaben sich Werfteigner und Geschäftsführer die Klinke in die Hand. Zuletzt sollten die Schiffbauer eigenes Kapital zur Rettung beisteuern, während die Entscheider die wirkliche Wirtschaftslage verschleppten, Politiker die Augen verschlossen, Gewerkschafter nun kraftlose Worte sprechen und Schiffbauer stumm in Kirchenbänken hocken. Wen wundert es? Sind die Schiffbauer müde geworden?
Einst waren es Werftarbeiter, die einen Aufbruch begannen. Das war in Polen. Und während Stralsund noch immer Schiffbau durch viele Poren atmet, liegen halbfertige Schiffe im Trockendock. Was braucht da eine Werft, was braucht da eine Stadt? Männer, denen Kraft und Entschlossenheit noch ins Gesicht geschrieben steht, die nach 30 oder 40 Jahren Schiffbau aussehen, die aber jetzt wie gelähmt dasitzen und abwarten, bis die gierige Finanzschlange alles vertilgt hat. Keiner poltert, keiner hat Ideen, keiner traut sich, im Anschluss an den Gottesdienst nach Antworten verlangend durch die weihnachtliche Stadt vor das Rathaus zu ziehen. (Wie einst die Weber). Warum drängen sich statt vierhundert nicht vier- oder vierzigtausend Leute in der Kirche, wenn es doch um eine ganze Region geht.
Wie viel Wirtschaftskrise ist notwendig, um einen Pommern aus seiner Ruhe zu bringen?
Text: Annett Geldschläger | Foto: Jens Frank
| 7. Januar 2013 | Tamar Amar-Dahl im Krupp-Kolleg | Greifswald
Tamar Amar-Dahl spricht im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald über ihr Buch: Das zionistische Israel Jüdischer Nationalismus und die Geschichte des Nahostkonflikts
These von Tamar Amar-Dahl: Das zionistische Israel ist derzeit nach ihrer historisch-wissenschaftlichen Analyse der vergangenen 60 Jahre nicht fähig – auch nicht durch einen personellen Führungswechsel in der Politik – den Konflikt mit den Palästinensern und/oder den arabischen Nachbarstaaten zu lösen. Selbst wenn es, wie in früheren Perioden dringenden Friedenswunsch gibt, seien, laut Amar-Dahl, die zionistischen Israelis auf Grund des von ihr definierten Eretz-Israel-Mythos und des Politik-der-Stärke-Mythos [als einzigem Schutz vor Auslöschung in feindlicher Umgebung] nicht in der Lage entweder eine Zweistaatenlösung oder die gleichberechtigte Beteiligung von Israelis und Palästinensern in einem Staatsgebiet umzusetzen.
Hier ist nicht relevant, ob und wie die Bedrohung real existiert, sondern hier ist die Staatsräson sowie jahrzehntelange Prägung der israelischen Bevölkerung ausschlaggebend. Amar-Dahl betont – mit dieser für die Zukunft finsteren Bilanz – als Historikerin nicht in der Verantwortung oder Aufgabe einer Lösungsfindung zu stehen. Ihre Aufgabe sei einzig die historische Aufarbeitung einer klar umgrenzten Forschungsfrage. Das persönliche Bekenntnis, die zionistische Politik gegen Palästina gerichtet, sei unrecht, fehlte nicht, wenn auch die Anteilnahme der Referentin und Autorin, dem reichlich gefüllten Auditorium eher unbewegt bekannt, nicht jedem Zuhörer auszureichen schien.
Diese distanzierte, den objektiven Standpunkt wahren wollende Haltung ist keine unbekannte unter Historikern und leicht zu rechtfertigen in der üblichen Forschungspraxis. Die Frage aber stellt sich, ob eine solche Position akzeptabel ist aus humaner Sicht und wirft die Frage nach dem Nutzen solcher wissenschaftlicher Arbeit und Herangehensweise auf. Darf sich Wissenschaft – dürfen sich Wissenschaftler – auf derlei nach intellektueller Fleißarbeit oder Gedankenspiel aussehende Forschungsarbeit beschränken oder sollte hier nicht doch eine größere Aufgabe erkannt und wahrgenommen werden: Erkenntnis aus den Analysen gewinnen für das Hier und Jetzt.
Die akademische Ausbildung jedenfalls befördert nicht in geringem Maße dieses Verbleiben im Elfenbeinturm.
Nach Tamar Amar-Dahl ‹machten› Menschen jedenfalls nicht Geschichte, sondern Geschichte verliefe nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten [welche Antriebsfeder aber hat sie?] und würde den Menschen nach ihrem innewohnenden Zeitfaktor die Tatsachen schaffen. Die Geschehnisse seien also nicht vom Menschen wandelbar. Im Falle des Nahostkonfliktes bliebe einzig abzuwarten.
Kein hoffnungsvoller Abschluss eines kontroversen Vortragsabends am Alfried Krupp Kolleg Greifswald, weder für eine Politik unter Netanjahu noch unter einer anderen zeitgenössischen demokratisch wählbaren Option.
Hier ist nicht relevant, ob und wie die Bedrohung real existiert, sondern hier ist die Staatsräson sowie jahrzehntelange Prägung der israelischen Bevölkerung ausschlaggebend. Amar-Dahl betont – mit dieser für die Zukunft finsteren Bilanz – als Historikerin nicht in der Verantwortung oder Aufgabe einer Lösungsfindung zu stehen. Ihre Aufgabe sei einzig die historische Aufarbeitung einer klar umgrenzten Forschungsfrage. Das persönliche Bekenntnis, die zionistische Politik gegen Palästina gerichtet, sei unrecht, fehlte nicht, wenn auch die Anteilnahme der Referentin und Autorin, dem reichlich gefüllten Auditorium eher unbewegt bekannt, nicht jedem Zuhörer auszureichen schien.
Diese distanzierte, den objektiven Standpunkt wahren wollende Haltung ist keine unbekannte unter Historikern und leicht zu rechtfertigen in der üblichen Forschungspraxis. Die Frage aber stellt sich, ob eine solche Position akzeptabel ist aus humaner Sicht und wirft die Frage nach dem Nutzen solcher wissenschaftlicher Arbeit und Herangehensweise auf. Darf sich Wissenschaft – dürfen sich Wissenschaftler – auf derlei nach intellektueller Fleißarbeit oder Gedankenspiel aussehende Forschungsarbeit beschränken oder sollte hier nicht doch eine größere Aufgabe erkannt und wahrgenommen werden: Erkenntnis aus den Analysen gewinnen für das Hier und Jetzt.
Die akademische Ausbildung jedenfalls befördert nicht in geringem Maße dieses Verbleiben im Elfenbeinturm.
Nach Tamar Amar-Dahl ‹machten› Menschen jedenfalls nicht Geschichte, sondern Geschichte verliefe nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten [welche Antriebsfeder aber hat sie?] und würde den Menschen nach ihrem innewohnenden Zeitfaktor die Tatsachen schaffen. Die Geschehnisse seien also nicht vom Menschen wandelbar. Im Falle des Nahostkonfliktes bliebe einzig abzuwarten.
Kein hoffnungsvoller Abschluss eines kontroversen Vortragsabends am Alfried Krupp Kolleg Greifswald, weder für eine Politik unter Netanjahu noch unter einer anderen zeitgenössischen demokratisch wählbaren Option.
››› mehr Tamar Amar-Dahl
| 5.Januar 2013 | Portraitzeichnen mit Claudia
Claudia Carolina Kuhn
selbständige Künstlerin in Stralsund
Stadtansichten | Portraits | Tierbilder
carlinchen7@gmail.com
Telefon 0179 . 9 42 10 48
selbständige Künstlerin in Stralsund
Stadtansichten | Portraits | Tierbilder
carlinchen7@gmail.com
Telefon 0179 . 9 42 10 48
Abonnieren
Posts (Atom)