| Gelesen im April 2012 | Die richtige Weltanschauung | Solschenizyn

Aljoscha hörte, wie Schuchow Gott dankte, und drehte sich um. "Iwan Denissowitsch, Ihre Seele möchte zu Gott beten. Warum lassen Sie sie nicht?"
[...]
"Ich will´s dir sagen, warum Aljoscha: Weil all diese Gebete wie die Eingaben sind, die wir an die großen Tiere richten. Entweder sie kommen nicht an, oder sie kommen zurück mit dem Vermerk: 'Abgelehnt'."
[...]
"Das einzige auf Erden, für das der Herr uns aufgetragen hat zu beten, ist unser tägliches Brot [...]
Er legte seine Hand auf die Iwans. "Iwan Denissowitsch, Sie sollen nicht darum beten, daß jemand hier ein Paket kriegt, oder um einen Extraschlag Brei. Was die Motten und der Rost fressen, ist gering vor Gottes Angesicht. Sie müssen um die Seele beten, damit der Herrgott uns das Böse aus dem Herzen nimmt..."
[...] er schob des Baptisten Hand zurück [...]
Er hing seinen eigenen Gedanken nach und hörte nicht mehr auf Aljoscha. Laut sagte er vor sich hin: "Es ist einfach so, du kannst beten, soviel du magst, von deiner Strafzeit streichen sie dir nichts. Du mußt sie absitzen, Tag um Tag, vom Wecken bis zum Lichterlöschen."
"Darum müssen Sie nicht beten." Aljoscha machte ein entsetztes Gesicht. "Was wollen Sie denn mit Ihrer Freiheit? Was noch an Glauben in Ihnen geblieben ist, wird dort unter Dornen ersticken. Seien Sie dankbar, daß Sie im Lager sind. Hier können Sie an Ihre Seele denken. [...]"
Er [Schuchow] wußte jetzt selbst nicht mehr, ob er die Freiheit wollte oder nicht. Am Anfang hatte er sie sehr entbehrt und jeden Tag gezählt [...] Aber dann hatte er bald genug davon. Im Laufe der Zeit lernte er auch begreifen, daß sie einen vielleicht freilassen würden, aber nie mehr nach Hause. Und er wußte wirklich nicht einmal genau, wo das Leben besser war: zu Hause oder hier. [...] Aljoscha hatte die Wahrheit gesagt. Seine Stimme und seine Augen verrieten es: Er war glücklich darüber, im Lager zu sein.
"Sieh mal Aljoscha", sagte Schuchow. "Für dich ist das alles einfach. Christus hat dir gesagt, daß du hier sitzen mußt, für ihn bist du hier. Aber warum bin ich hier? [...]"

Alexander Solschenizyn. Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch,
Erstausgabe 1963, Knaur-Taschenbuchausgabe 1970,
in Auszügen S. 139-141




S.N.Lazarev Autor der Buchserie Karma-Diagnostik und Der Mensch der Zukunft  schreibt:

Wenn kein richtiges Weltbild vorhanden ist, stirbt der Mensch. Doch um ein neues Weltbild zu schaffen, braucht man viel Energie. Und diese Energie kommt von der Liebe. Deshalb kann ein gläubiger Mensch seine Weltanschauung und sich ändern. Ein Mensch, der wenig Liebe hat, der wenig Glauben hat, kann sich nicht ändern. Deshalb ist er dazu verurteilt, in einem strengen System der Koordinaten zu leben. Neue Wahrheiten eignet er sich sehr schwer an. Deswegen stirbt auch ein Tier, das an die sich ändernden Bedingungen nicht angepasst ist. Ein Mensch, der seine Weltanschauung nicht ändern kann und keine neuen Sichten annehmen kann, ist im Prinzip auch verurteilt, …. in der Perspektive. Welcher Mensch adaptiert sich leichter an die Außenwelt? Der, der gelitten hat. Der, der verloren hat. Weil der, der verliert, der opfert freiwillig oder unfreiwillig. Für ihn ist es einfacher, die Göttliche Logik zu verstehen. 

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